Auf jedes Pferd wartet ein Stein, es muss ihn nur finden (Distanzreiter Spruch)
Zur DM sind wir wie die Jungfrau zum Kinde gekommen: Freundin und Nachbarin Corinna hatte sich selber nicht qualifizieren können (das Pferd war qualifiziert) und hatte also die DM aus dem Kopf, als sie mit Barbara Schoenen telefonierte, deren Pferd ausgefallen war. Kurzerhand kam man überein, das bestens trainierte Pferd der jugendlichen Reiterin Annika zur Verfügung zu stellen. Und ich überlegte, dass, wenn ich auch runter fahre, ich doch auch reiten könne. Also noch schnell den Begleitritt genannt. Da das Pony auf der Radde so gut lief und fit war, musste Masirah zu hause bleiben und ich nahm Marvin mit.
Donnerstag kamen wir dann nach fast 5 Stunden Fahrt in Reichlos an. Das übliche Chaos empfing uns, dauert ja immer etwas, bis Routine auftritt, also wurde ich erst mal sonstwo hingeschickt, die zuständige Platzanweiserin gab mir dann aber den Platz neben Lenhard/ Schoenen. Ich war sozusagen die Paddock Grenze zwischen National und International und fiel gleich in Ungnade: bei Einfahrt in das am Boden abgesteckte Paddock hatte ich einen kleinen Pflock überfahren, und dann ihn wahrscheinlich 20 cm weiter wieder eingehauen. Prompt hieß es dann, ich hätte mein Paddock vergrössert, peinlich!! Außerdem machten wir uns mit dem Camp ganz schön breit. Schonens waren zu sechst, Corinna mit Tochter, und ich mit meinen Betreuern, dem Ehepaar v z Gathen, die gern ihr Pferd coachen wollten, d.h., wenn wir bei der Wahrheit bleiben wollen: Horst ist mitgefahren und seine Frau Doris coachte, aber immerhin...sah ich ihn dann doch Wasser schütten und Sattel tragen.
Das Pony benahm sich unmöglich im Paddock, wieherte jedem braunen Pferd hinterher und lief auf und ab. Nur mit viel Draht und Strom liess er sich überzeugen, nicht auszubrechen. Eben ein richtiges Pony!
Die Sonne auf der riesigen schattenlosen Wiese ließ schon am selben Tag unsere Haut, die ja anscheinend nur Duisburger Dunst kennt, rot anlaufen und bei Marvin platzte die Haut am unpigmentierten Maul!
Nachmittags gingen wir dann die 15 KM Schleife, damit die Pferde und wir uns schon mal auf den Boden einstellen konnten. Ich war froh, nur 80 Km gehen zu müssen, der Boden war hart und überall lauerten dicke Steine. Einen Boden dieser Qualität hier im Rheinland anzubieten, wäre das Aus für den Veranstalter, es würde niemand mehr wieder kommen. Aber im Vogelsberg sind die Wege nun mal so. Abends setzten wir uns zusammen und gingen Streckenkarte durch, Betreuertaktik usw. und mir fiel dann gar nicht ein, dass ich nicht zu diesem Ritt gehörte, sondern ja selber ritt. War voll im DM Fieber.
Recht spät verkrochen wir uns in die Schlafsäcke, Barbara schlief sogar unter freiem Himmel. Morgens holte ich im Dorf frische Brötchen uns wir frühstückten bei strahlendem Sonnenschein auf einer Vogelsberger Wiese, Luxus pur!!
Ich sah mir danach die Gegend an, wunderschöne Dörfer, tolle Landschaft. Ganz in der Nähe ein ruhiger See, der zum Baden einlud. Also kurzerhand zurück und mit Corinna und Josy ein Runde geschwommen. Nachdem ich fast in der Mitte des Sees angekommen war, stellte ich fest, dass er nur etwa 1 m tief war!! Ne echte Lachnummer, als ich so mittendrin da stand, das Wasser knapp bis zur Hüfte. Wieder im Camp ging es zur Voruntersuchung, die beide Pferde gut durchliefen, die erste Hürde war also genommen. Klaus Schoenen kam auf die Idee, uns alle zu bekochen und fuhr in den nächst grösseren Ort einkaufen. Er zauberte uns ein super Menue auf drei Gaskochern, ganz wie ein Küchenmeister und ich war hellauf begeistert, frische Salate, Sahnesauce mit Pilzen, Geflügelsteaks und Reis, einfach klasse!!! So schlemmten wir bis in den späten Abend.
Morgens stellte ich mir den Wecker so früh, damit ich wenigstens noch den Start der Hundertmeiler und der 120 sehen konnte, wir selber waren erst um 8.30 Uhr dran.
Mit viel Applaus und Gejohle gingen die Starter aus dem Ziel, eine lange Strecke lag vor ihnen.
Es gab ein zentrales Vetgate, so dass wir die ersten Reiter noch im Gate sehen konnten, bevor wir rausgingen.
Der Massenstart der 80 er lief ruhig ab, ich ging direkt nach hinten, wollte bei diesem Ritt nur das Pony heil ins Ziel bringen, der dritte DR für ihn und gleich von der Kategorie sollte nicht auf Tempo geritten werden.
Kurz nach dem Start hatte ich nur noch eine dreier Gruppe hinter mir. Mein Pferd trabte ruhig los und so sollte es bleiben. Der Boden war hart und streinreich, immer wechselnd mit Wiesen und Feldwegen. Gut markiert.
Kurz vor dem Trot By überholten mich dann noch zwei Pferde, so wusste ich, dass nur noch eins hinter mir lag. Die Betreuung durch die Besitzer von Marvin klappte hervorragend, Doris hatte sich grosse Spickzettel geschrieben und ging systematisch vor. Und das bei mir, wo ich immer alles Besprochene umwerfe von Stop zu Stop. Ich hielt mich aber im Zaum. Nach dem Trot By hatte ich plötzlich Gaby Jacobi vor mir und ich bekam einen Riesen Schrecken: ich wähnte sie in der Spitzentruppe und dachte, ich hätte eine Schleife ausgelassen und abgekürzt. Es war aber der Hengst, der wohl Temperamentsausbrüche zeigte und erst wieder beruhigt werden musste. Sie rollte später das Feld von hinten auf und errang einen vorderen Platz. Auf einem Waldstück fehlten dann unseres Erachtens Markierungen und ein Forstfahrzeug fuhr hinter uns her. Ich drehte um und fragte, ob der Fahrer Markierungen entfernen würde, was dieser zwar verneinte, aber dann richtig vom Leder liess. Dieser Teil der Strecke sei nicht genehmigt, er sei der zuständige Beamte und könne uns das durchreiten verbieten, was er aber nicht machen würde. Den letzten Teil der Strecke kannte ich schon, hier war der Boden besser. Auch unser Vet Gate war im Start/Ziel und wir hatten vorher schon alles aufgebaut. Nun ging es los mit Waschen, denn der Grenzpuls war 60. Marvin hatte keine Probleme und war nach wenigen Minuten auf 52, hätten also eher hin gekonnt. Nach dem Vortraben ging es dann in die Pause, wo ich mit Entsetzen feststellte, dass ein Eisen locker war. Der Schmied war irgendwo beschäftigt und die Zeit lief. So sprang Wolfgang Schwingenheuer ein und setzte in Windeseile bei zwei Eisen neue Nägel. Passend um 12.19 war er fertig und wir konnten zum Ausgang. Dort wollte man nun den grünen Begleitzettel, den allerdings noch mein Coach hatte und der war mit meiner Mutter und Nichte, die eigens noch zum Zuschauen eingetroffen waren, an deren Auto um die Strecke zu erklären. Das war Spickzettel unplanmäßig, aber bei mir ging es ja nicht mehr um Minuten.......
Doris dagegen ärgerte sich, sie wollte doch alles so genau und richtig machen, aber so ist das nun mal, die Realität ist oft anders, als geplant. In der zweiten Runde verpassten meine Betreuer mich dann an den abgesprochenen Stellen, da ich langsamer ritt und sie Angst hatten, ich sei schon durch und würde dann allein im Vet Check stehen. Zum Glück betreuten mich die Trosser des mir folgenden Pferdes und gaben Wasser und Möhren und Äpfel, sogar im Laufen, danke noch mal dafür. Im Vet Check, den wir anstandslos durchliefen, entschied ich mich dann, auf das Pony nach mir zu warten, was von den Betreuern sehr begrüsst wurde. So ritten Heike und ich dann die letzten 20 KM zusammen, was sehr nett war und wir viel zu erzählen hatten. Heike und Alwin veranstalten auch einen Distanzritt im Odenwald und ich entschloss mich, dort auch zu starten.
Kurz vorm Ziel hielt ich es nicht mehr aus und rief Corinna an, wo ich dann erfuhr, dass Marakesch vor dem Check bei KM 105 auf einen dicken Stein trat. Die Betreuer konnten ihn von weitem sehen, wie er locker dahertrabte und dann wegsackte. Bevor sie ihren Mund wieder zumachen konnten, war Annika schon vom Pferd gesprungen, um sich den Huf anzusehen, aber es war kein Stein drin.
So war für ihn dort das Rennen zu Ende, mit einer halben Stunde Vorsprung vor den Verfolgern lag er mir Momo zusammen ganz vorn. Ich dachte, sie wollten mich veräppeln und fragte mehrfach nach.
So ritten wir dann deprimiert ins Ziel, Hand in Hand, zwei Ponies hatten auch diese schwere Strecke hinter sich gebracht und wir waren stolz wie die Sieger. Nun mussten wir innerhalb von 20 Minuten den erforderlichen Puls bringen und zur Nachuntersuchung. Hier war nun meine grösste Sorge, hatte Marvin doch vor 14 Tagen bei der zwei Tages Distanz an der Radde am zweiten Tag im Ziel Problem mit der Schultermuskulatur gehabt.
In dieser „kritischen“ Phase kam dann Herr von zur Gathen, uns ja nun im Ziel sehend, an und fragte, ob wir denn jetzt auch ein grosses Eis haben möchten. Seine Frau rang mit der Fassung und konnte nur noch leise zischen: „in den nächsten 20 Minuten ganz sicher nicht!!“ Man stelle sich das mal vor, Pferd nach 80 Km ins Ziel gebracht und sich dann wartend auf die frühe NU hinzusetzen und Eis zu schlabbern. Ich musste mir verkneifen, nicht laut los zu lachen.
Mit Bangen führte ich ihn dann zu den TÄ und er lief anstandslos und locker. Jetzt musste ich mit der Fassung ringen...... , hab ja nun mal auch nen Ruf zu verlieren und der Einsatz des Pferdes, das ich ja erst seit ein paar Monaten trainiere, wird mit Argusaugen überwacht. Eine Disqualifikation wäre für alle, die meinen, ich würde das Pferd zu schnell auf lange Distanzen bringen, ein gefundenes Fressen gewesen.
Nun konnte ich zeigen, dass wenn ein neues Pferd langsam geritten wird, es auch lange Strecken schaffen kann, frei nach dem Motto: „it`s the speed, that kills the horse, not the distance“
Den Rest des Tages lagen wir in der Sonne, redeten viel von der Strecke, den schönen Aussichten die man hatte und der guten Markierung. Die Beköstigung durch die Veranstalter war klasse, es lief alles wie am Schnürchen, zumindest hat man es als Reiter nicht mitbekommen. Ich hatte endlich mal wieder Gelegenheit mit Arno zu reden, mit dem ich mich immer furchtbar gern unterhalte, allein schon, um seinen Dialekt zu hören!! Aber auch sonst biste ein netter, Arno!!
Abends waren wir zu müde, um ins Festzelt zu gehen, waren alle ein wenig deprimiert, obwohl Marakesch schon wieder taktklar lief. Waren alle wahnsinnig enttäuscht und er merkte es und war selber ganz frustriert, sonst wurde er doch auf allen Ritten gelobt und ständig gab es von allen Ecken nette Worte für ihn. Nun gingen alle zwar zu ihm, sagten ihm dass er das ganz toll gemacht hat, blickten ihn aber mitleidig an, er verstand die Welt nicht mehr!!
Morgens früh gingen Barbara und ich erst mal den Duschwagen testen. Ein anwesender Mitveranstalter sagte uns, dass er 1000 Euro kostete und sie hoffen würden, dass er sich trägt. Ich finde, man gibt so viel Geld aus an solch einem Wochenende, dass sicher niemand etwas dagegen hätte, 2 Euro pro Dusche zu zahlen, so könnte man doch etwas unterstützen. Nun kenne ich jedenfalls Barbaras Muttermal und sie meine Blinddarmnarbe!!!
Es folgte die Transportfreigabe und im Anschluss daran die Siegerehrung, die sehr nett gemacht war. Hier ging man zu den Ursprüngen der Distanzreiterei zurück, es gab keine Riesenpreise, keine Sättel oder ähnliches. Pokale und kleine Sachpreise, aber man geht ja nicht wegen der Preise eine DM, oder??
Wir ließen uns Zeit, bauten in aller Ruhe die Paddocks ab und fuhren nach Hause. Ein ereignisreiches Wochenende lag hinter uns. Vielen Dank an die Organisatoren, die vielen Helfer und die guten Tierärzte.
Uwe Rahn