Als Gaby erfuhr, dass die DM 2003 in Stuhr sein würde, freute sie sich. Fast ein Heimspiel! Doch dann kam die freudige Nachricht, dass sie Nachwuchs erwartet, und zwar Anfang Juli. Damit schien eine Teilnahme nicht mehr möglich, denn ihr fehlte die zur Qualifikation vorgeschriebene Fahrt im Jahr der DM.
Fortan wurde der Sulky weggestellt und Alambic nur noch geritten.
Dann kam Baby Benedikt vier Wochen zu früh, Anfang Juni. Er ist gesund, putzmunter und hat immer Hunger. Zwei Wochen nach der Geburt saß Gaby wieder auf dem Pferd und nannte die 60-km-Fahrt in Niehorst. Zwei Wochen vor der DM war es die letzte Möglichkeit, sich zu qualifizieren – und es klappte.
Sofort wurde nachgenannt. Lange überlegten wir, ob das Baby mitkommen sollte oder nicht. Dann wurde entschieden, dass es mit Papa Peter zu Hause bleibt.
Immer wieder bekam Gaby Bedenken, weil der Schimmel vor der DM nur dreimal angespannt war. Einmal vor Niehorst, in Niehorst und noch einmal danach.
Als wir am späten Freitagnachmittag in Stuhr ankamen, waren alle anderen teilnehmenden Fahrer schon da. Es hatten 11 Fahrer genannt, neun waren gekommen.
Alle Pferde bestanden die Voruntersuchung. Danach wurden die Startzeiten ausgelost. Es wurde nämlich der Einzelstart im Abstand von 5 Minuten praktiziert.
Die 80 km-Strecke bestand aus einer 60 km- und einer 20 km-Schleife. Dieter Starke war am Vortag die Strecke abgefahren und hatte Mängel an der Markierung festgestellt – und was noch schlimmer war: Es lagen umgestürzte Bäume auf dem Weg. Lothar versprach Abhilfe. Die Bäume wurden beseitigt und es wurde nachmarkiert. Bei der Vorbesprechung wies Dieter Starke allerdings darauf hin, dass es besser sei, die Karte zur Hand zu nehmen. Nun, das ist für Fahrer nicht ganz so einfach, da sie ja die Leinen und die Fahrpeitsche halten müssen.
An die Farbkarte, die wirklich sehr farbig war, musste ich mich erst einmal gewöhnen.
Am Samstagmorgen ging ich erwartungsvoll zur Meldestelle und hoffte eine Liste mit der Startreihenfolge vorzufinden. Leider wurde ich enttäuscht. Die Liste war erst am Samstagabend da, als sie niemand mehr brauchte.
Vor dem Start erfolgte die Gespannkontrolle, die eigentlich überflüssig ist. Bei Fahrern, die an der DM teilnehmen, kann man davon ausgehen, dass sowohl Fahrzeug als Geschirr in Ordnung sind. Vielmehr sollte bei den anderen Veranstaltungen kontrolliert werden, denn am Samstagabend stand da ein Gefährt, das man als abschreckendes Beispiel hätte verwenden können.
Wir hatten zwei Trossautos dabei. Das eine fuhr ich und wurde begleitet von „Francis“, die wir im Forum kennen gelernt hatten. Das zweite Auto wurde von Yvonne Ostroga, die gleichzeitig Alambics Physiotherapeutin ist, und ihrem Mann Sebastian gefahren.
Zuerst ging Axel Bernhart mit Valuid auf die Strecke, gefolgt von Klaus Oeding mit Tara und Dieter Starke mit Cartier. Als Vierte startete Gaby mit Alambic.
Axel machte Tempo, Dieter auch. Irgendwann tauchte auch Oskar Piritz, der Titelverteidiger und hohe Favorit auf. Er war als Letzter gestartet und rollte das Feld förmlich von hinten auf.
Wir staunten nicht schlecht, wie schnell die Fahrer die erste Pause bei Hilken erreichten. Es wurde warm und immer wärmer.
Normalerweise trinkt er Schimmel immer erst nach 60 km. Hier fing er schon bei ca. 30 km an. Am Ende hatte er ca. 100 Liter ausgetrunken.
Wir waren heilfroh, mit zwei Trossautos zu fahren. Mit einem hätten wir das Pferd gar nicht betreuen können, die Fahrer waren so schnell, dass man an den Trosspunkten kaum warten musste.
Die „große“ 45-Minutenpause war dann wieder auf der Silberstern-Ranch. Das Camp, die Vortrabstrecke, Start und Ziel waren auf einem großen sandigen (ich vermeide absichtlich das Wort „Sandplatz“, da dieser Platz auch spärlich mit Unkraut bewachsen ist) Platz untergebracht. Leider war hier so gut wie kein Schatten.
Nun mögen 45 Minuten lang erscheinen, waren sie aber nicht. Denn die Pferde mussten ausgespannt und abgeschirrt werden und natürlich hinterher wieder angespannt und angeschirrt. Begründung war: Bei der Fahrer-DM musste auch abgesattelt werden. Dass das nicht vergleichbar ist, sollte Veranstalter Lothar Lyschik, der selber aktiver Fahrer ist, wissen.
Nun gings auf die 20-km Runde. Fast am Wendepunkt bei 70 km angekommen, kam der bis dahin führende Oskar Piritz auf die Markierung der 60 km-Strecke, der er auch folgte und sich dadurch heftig verfuhr. Nun war das Rennen wieder offen.
Nach der bestandenen Nachuntersuchung waren drei Kandidaten als neuer Deutscher Meister im Gespräch, nämlich Dieter Starke, Axel Bernhard und Manfred Wanitschka. Da man die genauen Start- und Zielzeiten nicht kannte, konnte man nur mutmaßen. Ich wettete auf Manfred Wanitschka, während Gaby mit einer Wette auf Axel Bernhart dagegen hielt.
Doppeltes Pech für Oskar: Nachdem er gemerkt hatte, dass er sich verfahren hat und umgedreht war, versuchte er noch Zeit gutzumachen, was ihm auch weitgehend gelang. Leider lief Ghalia in der Nachuntersuchung nicht klar und schied aus.
Martina Brunner und Peter Tütenberg hatten bereits in der Pause aufgegeben. Auch sie hatten sich verfahren.
Im Gegensatz zu anderen Fahrern meint Gaby allerdings, dass die Markierung gut gewesen sei.
Schön war, dass einige Zuschauer gekommen waren. So waren dann auch beim abendlichen Fahrertreffen ca. 40 Teilnehmer anwesend.
Im Anschluss an das Fahrertreffen fand die Siegerehrung statt. Sie war sehr nüchtern und etwas enttäuschend. Lothar kramte die Schleifen aus einem Karton und die Pokale blieben in Schutzfolie eingewickelt. Das Abspielen der Nationalhymne entschädigte etwas für diese Stillosigkeit. Der neue Deutsche Meister im Distanzfahrer, der überaus sympathische Manfred Wanitschka wurde mit ganz viel Applaus bedacht.
Abends traf man sich dann noch beim Griechen und feierte anschließend im Camp bei Manfred weiter.
Herausragend war die tolle Stimmung bei den Fahrern. Jeder war Konkurrent, aber ausnahmslos alle waren fair und freuten sich für den anderen. Diese Solidarität ist beispielhaft.
Die zuständige Regionalbeauftragte Tanja Wedemeyer betreute die Veranstaltung und machte einen ausgezeichneten Job. Sie war fast nicht zu spüren, aber immer da, wo sie gebraucht wurde.
Ergebnisse:
1. Manfred Wanitschka Fancy Girl 307 Min u. 18 Sek.
2. Dieter Starke Cartier 307 Min u. 58 Sek.
3. Axel Bernhart Valuid 313 Min
4. Gaby Gloggner Alambic 322 Min
5. Klaus Oeding Tara 351 Min
6. Britta Danne-Hess Nenaysta 381 Min
Zum Fahrertreffen:
Im Frühjahr in Hann.-Münden waren Britta und Dieter an Gaby herangetreten und hatten gefragt, ob sie sich als Kandidatin zur Fahrerbeauftragten zur Verfügung stellen möchte. Gaby sagte, dass sie zwar Spaß an der Arbeit haben würde, es ihr aber am nötigen Hintergrundwissen fehle. Ein Doppelpack mit Peter Baumann, der in Marbach den Fahrstall geleitet hat, wäre denkbar. Peter sagte zu.
Wie schon erwähnt, war das Fahrertreffen äußerst gut besucht. Von den ca. 40 Teilnehmern waren 37 stimmberechtigt.
Dieter eröffnete das Treffen und erklärte, dass Britta und er „amtsmüde“ seien und nun das Amt der Fahrerbeauftragten neu besetzt werden sollte.
Inzwischen hatte auch Lothar Lyschik seine Kandidatur angemeldet und sich zur Wahl gestellt.
Eigentlich hatte keiner der Anwesenden Lust auf eine Kampfabstimmung und so kam es, dass alle drei Kandidaten als Troika gewählt wurden.
Die neuen Fahrerbeauftragten heißen:
Lothar Lyschik
Peter Baumann
Gaby Gloggner.
Lothar ist ein ganz alter Hase und selber Fahrtrainer. Peter weiß alles über das Fahren und wird den Schwerpunkt auf die Ausbildung legen. Er selbst will aber lieber reiten. Damit ist er neutral. Da Gaby auch weiterhin mehr oder weniger aktiv fahren will und dadurch nicht in einen Interessenskonflikt geraten möchte, wird sie sich um die Öffentlichkeitsarbeit und organisatorische Fragen kümmern.
Ein ganz herzliches Dankeschön an Britta und Dieter, die in den vergangenen Jahren hervorragende Arbeit geleistet haben.
Wenn an diesem Wochenende auch nicht alles so gelaufen ist, wie man sich das vorstellt, so hat die gute Stimmung bei den Fahrern und der faire und wirklich gute Sport viele Dinge wieder wett gemacht.
Beinahe hätte ich es vergessen, Gaby ist unheimlich stolz auf ihren Schimmel und ist mit dem vierten Platz voll und ganz zufrieden. Ein ganz großes Dankeschön geht an Francis, Yvonne und Sebastian, ohne die der Schimmel hätte ziemlich dursten müssen.