Nybyggetritten – Distanzreiten in Schweden

 

Seit Anfang Januar bin ich für ein Auslandssemester in Schweden. Relativ schnell waren erste Kontakte zu Distanzreitern hergestellt und am 23.April fand nun der zweite Distanzritt der schwedischen Saison statt und ich war dabei!
Früh am Samstagmorgen traf ich mich mit Maja, Linnea, Doris, Josefinne und ihrem Freund an einer Tankstelle in Sköllersta. Wer jetzt denkt, das wären Zeiten wie in Deutschland, der irrt sich. Wir haben uns nicht um 4h oder 5h getroffen, sondern erst um 9.30h. Start für die 50km Reiter war erst um 13h. Vorher starteten schon die 160km, 120km und 80km Reiter.

Am Veranstaltungsort angekommen erstaunte mich das Nächste. Wo sind die Paddocks? Keiner zu sehen. Alle Autos und Anhänger standen auf recht engem Raum zusammen. Wir wurden mit Sachen beladen und es ging zu einem großen separaten Sandplatz, der mit Pavillons und Ikea Tüten zugestellt war, der "Paddockplatz". Dazwischen konnte man einige Pferde erspähen. Linnea und Doris luden danach Leonardo aus. Ein Traber Araber Mix der vom Kaliber her locker mit Spidi mithalten konnte. Er trug eine Trense. Das nächste Fragezeichen in meinem Gesicht. Ich wurde aufgeklärt. Es ist nicht erlaubt Paddocks zu bauen, man muss sein Pferd die ganze Zeit festhalten. Pferde und Autos sind nicht auf einem Platz. Zum anderem muss man sein Pferd auch mit Gebiss im Maul abladen und beim Tierarzt vorstellen. Ob diese Regelung auch für den "Paddockplatz" gilt, weiß ich nicht genau. Zumindest trugen die Pferde dort auch meist noch ihre Trensen, mit der sie dann fressen und trinken mussten. Beim Start fielen mir die Sättel auf. Fast jedes Pferd trug einen baumlosen Sattel! Einen einzigen Podium sah ich und das bei einem 120km Reiter aus Norwegen. Laut Maja enttarnte der Gebrauch eines Podiums ihn auch sofort als Nicht-Schweden. Auf der Strecke fuhren wir zwei Plätze an, bevor Linnea und Josefinne nach 30km zur Pause wieder am Veranstaltungsort waren. Der Araber William war das zweite Pferd das wir trossten. Trotz des sonnigen, windigen Wetters hatten die meisten Pferde nur eine dünne Abschwitzdecke auf. Ein Bild das man aus Deutschland auch nicht kennt. Hätten die Pferde bei uns bei dem Wetter doch wahrscheinlich zwei Decken oder eine dicke schwere getragen, die vom Wind nicht direkt hoch gepustet wird. Kommt man zur tierärztlichen Kontrolle, darf keine Decke auf dem Pferd sein. Eigentlich so wie in Deutschland. Allerdings viel strenger, so kommt man noch nicht mal in die Nähe der Tierärzte mit einer Decke auf dem Pferd. In Deutschland lässt man diese ja eher bis zur letzten Minute, und am liebsten auch noch beim Puls messen, auf. Pulsmesser wie die von Polar waren auch etwas was ich bei keinem Reiter sah. Als ich nachfragte bekam ich die erstaunte Antwort, dass man mit diesen zwar trainiert, aber nicht auf einen Wettkampf geht. Stattdessen sah ich aber viele GPS Geräte. Als Linnea und Josefinne auf die zweite 20km Runde gingen blieben Maja und ich beim Veranstaltungsort. Einem imposanten Gebäude mit See hinter dem Haus und den vier Fahnen der teilnehmenden Nationen vor dem Haus. USA, UK, Norwegen und Schweden. Dabei fällt mir auf, wo war die Fahne für mich? Mit dem Programm in der Hand stellten wir uns dann an das Vet Gate und beobachteten die Pferde. Programm? Ja, es gab ein buntes Heft in dem alle Starter und ihre Pferde aufgeführt waren. Man konnte also nachschauen wie viel km das Pferd lief, wie es heißt, die Abstammung, das Alter, die Rasse, den Besitzer und den Reiter nachlesen. Wir entdeckten Hasse Wallmann einen berühmten schwedischen Entertainer. Auch bestaunte ich die Karte des Rittes. Eine qualitativ hochwertige, farbige Karte in der sogar schon die Wege für den Groom eingezeichnet waren. Maja und ich kamen auch auf den Moderator zu sprechen. Dieser stand in einem kleinen Häuschen direkt am Untersuchungsplatz (dieser war eingezäunt und wie alles andere auch klar und deutlich ausgeschildert). Er redete ununterbrochen in das Mikro. Nicht das ich alles verstanden hätte, aber ich weiß das jedes Pferd, das gerade bei den Tierärzten vortrabte, vorgestellt wurde. Für die Reiter gibt es eine Kleiderordnung, diese besagt mindestens, dass man keine ärmellosen Tops tragen darf.

 In Schweden gibt es des Weiteren Klassen in die die Ritte aufgeteilt werden. Das heißt man muss erst drei Ritte in der Wertung bei 50km beenden (Klasse 4) bevor man eine Klasse weiter darf und dann 80km startet. Zudem muss man Lizenzen für das Pferd und den Reiter haben. Diese sind mit keiner weiteren Prüfung oder Leistung verbunden. Dem Pferd kauft man eine Lizenz fürs Leben. Der Reiter kauft eine Lizenz für die Saison. Die Kosten dieser hängen dann wieder von der Klasse ab, in der man starten will. Klasse 3 Ritte sind 80km, Klasse 2 120km, Klasse 1 160km Ritte. Eine ziemliche Geldmacherei, wie mir einige Schweden bestätigten, denn so hat man doch nicht ganz unerhebliche Mehrkosten pro Saison. Auch muss man einem Klub angehören, wenn man starten will. Dieser Klub gehört dann wieder dem schwedischen Reitverband an. Jeder Klub hat natürlich sein Emblem und diese wehen dann als Fahnen auf dem "Paddockplatz". Veranstalter sind auch nie einzelne Personen wie in Deutschland, sondern dann immer die Klubs, von denen es viele kleine gibt. Ein Klub als Veranstalter birgt wohl den großen Vorteil, dass es immer erfahrene gibt und dass mehrere verantwortlich sind. Zudem sind die Klubmitglieder automatisch Helfer, die dann auch ortskundig sind. Erstveranstaltungen wie bei uns in Deutschland, bei denen dann eine Person allein mehr oder minder verantwortlich ist, gibt es nicht. Unser System des Nenn- und Startgeldes gibt es in Schweden nur auf klassischen Turnieren. Auf Distanzritten bezahlt man schon mit der Nennung die gesamte Summe für den Ritt. Die Kosten sind ungefähr die Selben wie in Deutschland. Kommt man dann nicht zum Ritt, ist das Geld weg. Aber der Veranstalter weiß von Anfang an wie viel Geld er zur Verfügung hat.

Josefinne und Linnea galoppierten später mit fitten Pferden durch das Ziel. Insgesamt hatten sie drei tierärztliche Untersuchungen. Die Voruntersuchung wie in Deutschland, eine in der Pause die wieder am Veranstaltungsort stattfand, und eine direkt im Ziel. Eine weitere Nachuntersuchung nach 2 Stunden, wie sie bei uns ja üblich ist, gibt es nicht. Weder für die 50km noch für die 80km Reiter. Erwähnenswert ist auch noch das gelbe Buch. Jedes Pferd hat eins. Dort werden alle Ritte mit Datum, Kilometerzahl und ob er erfolgreich beendet werden konnte oder nicht notiert. Jeder Reiter muss das Buch bei den Ritten dabei haben. Es dient den Veranstaltern dazu die Qualifikation für die Klassen zu überprüfen. Den Tierärzten muss es auch gezeigt werden. Diese können in dem Heft auch erkennen, wann das Pferd einmal ausgeschieden ist und auch warum. Ist ein Pferd also dreimal hintereinander wegen Lahmheit nicht in die Wertung gekommen, weiß der Tierarzt das auf einen Blick. Mindestens das finde ich sehr nachahmenswert. Möchte man sein Pferd eines Tages gerne verkaufen, dient dieses Buch als Erfolgsnachweis und ggf. als Wertsteigerung.

Mir hat der Tag sehr gut gefallen. Es war interessant und ich habe einiges dazu lernen können. Zuletzt auch weil alle so geduldig und konsequent mit mir englisch gesprochen haben. Vielleicht habe ich das Glück und kann in Schweden noch einen zweiten Distanzritt besuchen. Ich würde mich sehr freuen!

Wer Fotos sehen möchte kann auf www.nerikesdistansryttare.org gehen. Der club den ich getrosst habe. Dort dann unter Fotoalbum die Kategorie „Nybyggetritten -06, fotograf Sabine Friese“ anklicken. Besonders hervor zu heben ist Foto „P1020121.jpg“ auf Seite 5: Internationale Clubkontakt!

Wer mehr wissen will oder Fragen hat, kann mir gerne eine Mail oder PN schicken. SabineFriese@web.de

Sabine (alias spidi im Forum)

 

 

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