Südheide

Saisonstart im Schneechaos oder:

Wer sich auf die Südheide traut, ist aus ziemlich hartem Holz geschnitzt

Die neue Saison beginnt schon Ende Dezember. Kaum erscheint die DA, in der die ersten Termine für 2006 aufgeführt sind, kreist das Blut wieder schneller durch die Adern eingefleischter Distanzreiter, und nun hält sie kaum noch etwas im Haus. Und wer sich bereits im Januar in Gedanken schon wieder auf der langen Strecke befindet, für den ist die „Südheide“ als traditionelle Saisoneröffnung eine Aussicht wie eine Oase für einen Durstenden in der Wüste. Auch – oder erst recht – wenn sich, wie in diesem Jahr, wieder einmal der Winter hartnäckig gegen den Frühling zur Wehr setzt.

Ein paar Unentwegte, die sich aus dem sonnigen Süden Deutschlands mit Sack und Pack und Pferd in nördliche Gefilde aufmachten, erlebten dann auch mit gelindem Schrecken, wie die Schneehöhen wuchsen, je näher man dem Ziel kam: „Erst dachten wir noch: Was ein super Wetter! Aber ab Celle lag dann Schnee und  ab Eschede lag viel Schnee…“ Und das, obwohl Veranstalter Claus Angelbeck den Ritt wegen der Wetterlage extra noch vom ersten auf das zweite Märzwochenende verschoben hatte.

Über Nacht schneite es auf die bereits vorhandenen zehn Zentimeter am Austragungsort Severloh dann noch einmal 15 Zentimeter drauf. Und am Morgen begrüßte ein ausgewachsener Schneesturm die 21 Starter, die trotz der Wetterunbilden von den 40 genannten noch standhaft geblieben waren.

„Die Sicht lag unter 20 Meter“, schaudert Astrid Becker immer noch in Gedanken daran: „Nordwind, Eisregen und Schnee“ behinderten die Sicht, und eine Schneebrille wäre wohl den meistern Reitern lieber gewesen als der Helm. Aus Sicherheitsgründen gab es, der widrigen Wetterumstände wegen, zwei Kilometer lang einen geführten Start, aber auch danach war das Reiten zumindest während der ersten 34 Kilometer im Schneesturm alles andere als ein Vergnügen. Unter den kalten, weißen Massen war natürlich die Markierung längst versunken und so fuhr Veranstalterin Wiebke Angelbeck, dick in Skianzug, Schal und Mütze gehüllt, auf dem Quad die gesamten 90 Kilometer vor den Reitern her und sprühte aus ungezählten Sprühdosen immer wieder pinkfarbene Hinweise in den Schnee, damit die Reiter in der weißen Wüste nicht verloren gingen. 

„Das war ein Härtetest für jeden Tross“, versichert Astrid Becker: „Die Crews haben mehr gefroren als die Reiter.“ In den sibirischen Verhältnissen - es herrschten Temperaturen von bis zu minus neun Grad mit einem Nordwind, dem die nahezu baumlose Heide nichts entgegen zu stellen hatte – blieb das Tempo sehr verhalten.

Und das war einer der positiven Effekte des schlechten Wetters: Von 14 Startern, bei denen sich 14 für den 61-Kilometer-Ritt entschieden hatten, während sieben die 104 anstrebten, dann aber einhellig bei 90 Kilometern aufhörten – nicht zuletzt, um der tapferen Veranstalterin weitere 14 Kilometer eisigen Rittes auf dem Quad zu ersparen – schied kein einziges Team aus. Alle Reiter passten gut auf ihre Pferde auf, an den Stopps sah man nur dick vermummte Pferde - und ebensolche Reiter. Die Helfer und Tierärzte unter Cheftierärztin Beate Scharfenberg kümmerten sich gut um die tapferen Distanzler. Und gegen Mittag hatte dann auch Petrus ein Einsehen und schickte die Sonne. Glitzernder Schnee belohnte die Reiter für ihre Hartnäckigkeit, wenn auch zum Teil tiefe Schneeverwehungen den Pferden zu schaffen machten: „Zum Teil war die Strecke sicher einfacher zu reiten, als sie zu laufen gewesen wäre“, versichert Astrid Becker, die mit ihrem weißen Araber Kublai Khan zum Teil bis zum Pferdebauch in den weißen Massen steckte.

Der Schnee hatte aber auch manchen Lacher parat, wie schon die Ankündigung in der schriftlichen Vorbesprechung zeigt: „Nach 15 Kilometern Trot by – bitte am Schneemann hintereinander einordnen.“ Der riesige weiße Geselle mit der dicken Runkelrübennase hob die Laune ein bisschen.

Eine „Feuerprobe“ der ganz besonderen Art wurde der Ritt durch die weißen Massen insbesondere auch für die Silke Rauscher aus Leimen bei Heidelberg, die auf ihrer Oldenburger Stute Angel hier eigentlich „nur“ ihren ersten langen Ritt absolvieren wollte.

Beim Kampf gegen Schnee und Eis war die Konkurrenz eher Nebensache und so teilten sich gleich vier Reiter Platz eins: Michaela Kosel (Visselhövede-Rosebruch) auf dem AV-Hengst Black Shetan, Lutz Belzer (Eisdorf) auf dem Hannoveraner Wellington, Tanja Wachsmuth (Ostenode) auf der Arabersttute Nadya und Anja Seipelt auf dem Tigerschecken Sir Edward erreichten Kilometer 90 nach sechseinhalb Stunden reiner Reitzeit. Als zweite Gruppe erreichten Silke Rauscher aus Leimen auf Angel, Astrid Becker aus Walldorf auf Kublai Kahn und Frank Sauerbrey aus Bad Lauterberg auf dem Englischen Vollblut Noble Dash das Ziel eineinviertel Stunden später.

(Weitere Ergebnisse siehe Ergebnisliste.)

Katja Nicklaus

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