Nordseedistanz 2008 – Himmel und Hölle!
Seit Januar schon freuen wir uns auf die Nordseedistanz: Susanne hat für uns, die Göttergatten und die Kids auf dem Traberhof in Hooksiel eine Ferienwohnung und für die Pferde Letty und Tashina („Tashi“) Boxen bzw. Paddocks gebucht. Damit die lange Anreise aus der Eifel (420km) bzw. vom Niederrhein (330km) sich auch lohnt, machen wir einen Kurzurlaub draus. Am Mittwoch kommen wir an und erkunden am Donnerstag die Nordseeküste. Am Freitag fahren wir mittags zur Jaderennbahn: die Männer bauen die Paddocks für den nächsten Tag auf, die Ponies nehmen sie in Beschlag – wir warten auf die Voruntersuchung, plauschen ein bisschen mit anderen Reitern an der Meldestelle, dann geht’s zurück zu den Pferden. Ich komme als erste an uns sehe wie Letty sich wälzt, ok, dann sehe ich wie sie im Aufstehen mit dem Huf in der Zaunlitze hängen bleibt – und alles geht ganz schnell. Sie springt hoch, reisst dabei den halben Zaun ab und bekommt Panik. Ich werfe Portemonnaie und Unterlagen weit von mir, renne zu ihr hin und versuche sie zu beruhigen. Da beide Pferde einen gemeinsamen Mittelzaun haben, fliegt meiner Tashi der halbe Zaun ebenfalls um die Ohren, sie wird auch schon ziemlich hektisch und mutiert zum schnorchelnden Wildpferd. Susanne stürzt herbei, bekommt Letty zu packen, gemeinsam beruhigen wir sie und befreien sie dann von der Zaunlitze, die sich mittlerweile mehrfach um ihre Beine gewickelt hat. Puh, was für eine Aufregung – aber Gott sei Dank ist alles glimpflich verlaufen. Eine halbe Stunde später stapfen wir mit den Pferden zur Voruntersuchung. Ich zittere mal wieder vor Anspannung: Ob wohl alles in Ordnung ist? Ja, ist es: jippiiie, die erste Hürde geschafft. Anschließend werden die Pferde gesattelt und wir reiten die 3km zum Traberhof zurück – so wissen wir wie lange wir am nächsten Morgen brauchen werden. Wir haben nämlich beschlossen morgens am Stall ganz in Ruhe alles vorzubereiten und dann zum Start zu reiten. Dann sind die Pferde warm wenn wir an den Start gehen! Zurück in unserer Ferienwohnung trinken wir alle gemütlich Kaffee, bis Georg dann plötzlich das Zauberwort „Vorbesprechung“ fallen lässt. VORBESPRECHUNG, ach du liebe Güte, haben wir völlig vergessen! Man sieht förmlich wie Susanne das Wort herausschreit und ihre Haare senkrecht nach oben schießen. Ein Blick auf die Uhr: eigentlich sollte die Vorbesprechung schon vorbei sein! Egal, wir versuchen es: gemeinsam mit Susanne renne ich in Richtung Auto, werfe mich auf den Fahrersitz und wir rasen im Affenzahn zur Jaderennbahn. Und siehe da: die Vorbesprechung wurde verschoben und beginnt erst 5 Minuten nachdem wir eingetroffen sind. Aufmerksam notieren wir die Besonderheiten –und anschließend fahren wir zum Abendessen nach Hooksiel. Am nächsten Morgen klingelt der Wecker um 5h – es regnet in Strömen (wunderbar!), Susanne und ich füttern die Pferde und trinken dann gemütlich Kaffee. Mit Hilfe unserer trossenden Göttergattten ist alles in Windeseile erledigt und wir können (pünktlich wie geplant) um fünf Minuten vor 7h vom Hof reiten. Es regnet in Strömen! 30 Minuten später treffen wir ein, lassen uns die Startzeit auf der Checkkarte eintragen und los geht’s – immer noch im strömenden Regen! Wir starten gemeinsam mit einem anderen Reiter – der sich aber bereits kurze Zeit später von uns trennt, weil uns das Tempo zu hoch ist. Locker traben unsere Pferde nebeneinander her. Das Geläuf ist prima, weicher aber nicht zu matschiger Waldboden, nach etwa 8km kommt eine Radarfalle, die wir rechtzeitig sehen und passend mit 72 bzw. 64 Pulsschlägen erreichen, wir dürfen sofort weiterreiten. Wie verabredet und versprochen warten unsere Trosser an der Schleuse auf uns: aber die Pferde gehen auch ohne Hilfe über den hohl klingenden Boden. Nach etwa 10km geht’s an den ersten Strandabschnitt, auf in den Sand und huiiii, ab gehen die Pferde. Im gestreckten Galopp reiten wir im Wind, die Pferde haben Spaß, wir auch – whow, ist das schön! Nach 16km geht’s zurück zur Jaderennbahn, erste Kontrolle – allerdings ohne Pause. Pferde werden gecheckt, müssen vortraben, und schon geht’s in die zweite Runde. Mittlerweile hat es aufgehört zu regnen und der Himmel wird heller – es wird doch nicht etwa die Sonne scheinen?? Trotzdem schnattern wir vor Kälte, die Regenmäntel haben dem Dauerregen nicht stand gehalten, wir sind durchnässt bis auf die Haut, die Handschuhe triefen ebenfalls. Jetzt geht’s erst mal einige Kilometer neben dem Deich lang, über Asphalt, die Pferde traben sehr flott und gleichmäßig dahin. Es geht nochmals über eine Schleuse, durch den Hafen und dann endlich wieder an den Strand. Unsere beiden Pferde fallen sofort in einen weichen, gemäßigten Galopp – in dem Tempo geht’s die nächsten vier Kilometer bis zum Wendepunkt –und dann wieder zurück. Wir schreien vor Freude und grinsen uns an wie zwei kleine Kinder, die auf das Christkind warten. Das sind Momente des Glücks! Den Rest der Strecke geht’s wieder über Asphalt, die Pferde kennen den Weg und traben in sehr flottem Tempo (T3) der Pause entgegen. Jetzt scheint schon seit fast einer Stunde die Sonne, wir schwitzen unter unseren Regenmänteln und mehreren Schichten Pullover. Zurück an der Jaderennbahn haben wir 32km hinter uns und jetzt ist erstmal Pause. Der geforderte 64er Puls ist sofort beim ersten Messen erreicht. Jetzt dürfen die Ponies erstmal auf ihre Paddocks, Trense runter, Sattel bleibt drauf, ich will die Decke und die Futtereimer holen, drehe mich kurz um und sehe mit Entsetzen im Augenwinkel wie Tashi zum Wälzen anlegt. Ich fange an zu schreien, das arme Pferd ist völlig schockiert und springt sofort wieder auf – Gott sei Dank! Das wäre das Ende meines neuen Sattels gewesen! Pferde, Reiter, Trosser und Kids essen und trinken etwas, dann ist die Pause auch schon wieder vorbei: Auf geht’s in die dritte Runde! Und bekanntermaßen kommt nach dem Himmel die Hölle: Bereits nach 500m geht in die erste der unzähligen weiteren tiefen Matsch-Salzwiesen. Knietief sinken die Pferde ein, wir gehen Schritt, traben wäre zu gefährlich. Dann der erste befestigte Weg, es scheint besser zu werden. Pustekuchen! Matschwiesen und rutschiger Asphalt wechseln sich ab, zwar scheint weiterhin die Sonne, aber unsere Moral sinkt immer tiefer. Kurze Trabphasen, die Pferde glitschen oft weg, wechseln sich mit langen Schrittphasen ab – ein sehr ermüdender ständiger Tempowechsel. Nach 10km haben wir die Nase voll, wir rufen unsere Trosser an: „Holt uns bitte ab!“. In Windeseile sind unsere Göttergatten da, wir rufen Lisa an um unsere Aufgabe bekannt zu geben. Sie verspricht, dass es nur noch 8km bis zur nächsten Pause sind, die Wege bis dahin besser werden und momentan geklärt wird, ob dann bei 50km in der Wertung beendet werden kann. Nach kurzer Beratung reiten wir dann doch weiter, leider, denn die Wege werden nicht wirklich besser. Matsch, Matsch, Matsch, knietief und glitschig. Wir überholen zwei Mitreiterinnen, das eine Pferd hat sich vertreten und lahmt, das andere hat ein Hufeisen verloren. Der Weg durch das Moor ist nicht schlimmer aber auch nicht besser als die bisherige Strecke, unsere tapferen Pferde müssen sich gegenseitig motivieren, mal übernimmt das eine die Führung und das andere zockelt hinterher, dann wieder umgekehrt. Wir erreichen einen See, ich blicke auf die Karte und entdecke, dass es zwar nur noch 4km bis zur 50km-Pause sind – aber auch die führen laut Karte wieder durchs Moor. Unsere Pferde traben nicht wieder freiwillig an. Wir steigen ab, schauen uns an, nicken und sagen: „Das war’s. Wir hören auf.“ Wenn meine Tashi nicht mehr will, heißt das sie kann wirklich nicht mehr und Letty sieht auch sehr sehr müde aus. Die Gesundheit der beiden ist wichtiger als den Ritt in der Wertung zu beenden! Nach 500m kommt uns Dirk auf seinem Quad entgegen um zu checken ob alles in Ordnung ist. Wir teilen ihm unsere Entscheidung mit, er ruft unsere Trosser an, die nach 5 Minuten eintreffen. Die Pferde springen vor Erleichterung fast auf den Hänger – weitere 10 Minuten später treffen wir dann wieder auf der Jaderennbahn ein. Wir versorgen die Pferde mit dem nötigsten und führen sie dann nochmals den Tierärzten vor, um die Transportfreigabe zu erhalten. Nach gemütlicher Mittagspause und einem kurzen Sonnenbad vor dem Zelt, das die Veranstalter fürsorglich errichtet haben versammeln sich alle zur Siegerehrung. Auch wenn wir nicht in der Wertung sind, trotzdem wollen wir dabei sein. Indirekt bekommen wir von den Tierärzten ein Lob dafür, dass wir aus Sorge um die Gesundheit unserer Ponies aufgehört haben und dann trotzdem zur Siegerehrung erschienen sind. Alle anderen ausgeschiedenen 75km-Teilnehmer sind nicht erschienen – d.h. nur 3 Teilnehmer sind dabei: die einzigen beiden, die die gesamten 75km geritten sind sowie eine dritte Reiterin, die bei 50km in der Wertung beendet hat. Der ursprünglich geplante Best Condition-Preis wird nicht vergeben –die Tierärzte haben einstimmig beschlossen, dass keiner der beiden Sieger diesen wirklich verdient hat!
Sonntag morgen verpassen wir (leider!) den Start der Kinderdistanz, aber wir schaffen es noch die letzten 10 Reiter ins Ziel einlaufen zu sehen und beobachten begeistert wie die Kinder danach ihre Pferde den Tierärzten vorstellen. Eine tolle Atmosphäre!
Fazit: Ein Riesenlob an die Veranstalter Lisa und Dirk. Alles war top-organisiert, für alles war gesorgt, regelmäßig wurden die Reiter auf der Strecke gefragt ob alles in Ordnung ist und die Markierung war spitzenmässig! Trotz aller Widrigkeiten ein toller Distanzritt – und für uns alle ein wunderbarer Kurzurlaub – Himmel und Hölle!
Andrea Baran